Das Sammlerporträt: Die Brüder Böhmer

Werner K. Weidert

Niederländer genießen in Sammlerkreisen nicht immer den besten Ruf. Wobei sich dieses Vorurteil keineswegs auf die genannte Volksgruppe beschränkt. Und dahinter stecken mag ganz schlicht und einfach „Futterneid", von dem wohl kein Sammler, welcher Nationalität auch immer, sich ganz frei sprechen darf.
























Die Böhmers sind Niederländer. Sie wohnen in Ulft, unmittelbar an der Grenze zu Deutschland, jeweils etwa 15 km entfernt von Emmerich und von Bocholt. Dass in dem roten Klinkerbau Sammler wohnen, zeigt das eine große, der Straße zugekehrte Fenster, fast schon ein Schaufenster, mit vorwiegend Mineralien und auch Fossilien. Die „Ladentür" aber ist verschlossen, man muß an der Haustür klingeln. Mir öffnet der ältere der beiden Brüder, zu dem sich nach wenigen Minute der jüngere gesellt. Ich schätze den einen auf an die 60 und den anderen auf Mitte 40. Sie führen mich in den „Laden", der keiner mehr ist. Er beherbergt die Eifelsammlung der Brüder: 3 Regale über die ganze Breite dreier Zimmerwände, gefüllt mit Fossilien: Brachiopoden, Krinoiden, Korallen usw. Die Gattungen und Arten jeweils in mehreren Exemplaren; nicht nur eine Calceola sandalina, sondern ein ganzes Regalbrett voll -alle präpariert.
Bestätigt sich so das obige Vorurteil? Oberflächlich gesehen wohl ja. Nur die Böhmers sammeln seit einem guten Vierteljahrhundert, seit ihnen Bekannte Appetit auf Fossilien gemacht haben. Und wenn man sich dann auf zwei Fundgebiete, darunter die Eifel, konzentriert, die ganze Freizeit dem Hobby widmet, nicht Wind noch Wetter scheut, dann muß in der Regel eine überwältigende Vielfalt von Fossilien zusammenkommen. Man muß sich sogar wundern, dass es nicht noch mehr sind. Dafür haben die Brüder folgende Erklärung: sie pflegen weltweit Tauschkontakte und sie nehmen an Börsen teil, die für Materialabfluß sorgen. Worum es den Böhmers geht, das ist der möglichst vollständige Faunenquerschnitt von einer Fundstelle bzw. einem Fundgebiet. Das sind also dann die Eifel und als zweites Geschiebefossilien, wo die Geschichte mit dem Faunenquerschnitt natürlich nur in übertragenem Sinne gemeint sein kann. Geschiebe sammeln die Böhmers im Niederrheingebiet, ca. 50 km vom Wohnort entfernt.












Nun werden sie fragen, wo man die Fülle von Geschiebefossilien, die in über 25 Jahren zusammenkommen müssen, unterbringt. Kein Problem für unsere Sammler, wenn ihnen ein ganzes Haus zur Verfügung steht und wenn sie von 12 Zimmern gerade drei privat nutzen. Da lassen sich dann sogar die 10 000 Fossilien so die Schätzung der Brüder unterbringen. Allerdings dicht an dicht, geordnet nach stratigraphischen und geographischen Gesichtspunkten.
75 % ihrer Fossilien haben die Böhmer-Brüder selbst gesammelt. Alle sind registriert und bestimmt, wobei bei der Bestimmung Sammlerfreunde und das Museum in Denekamp Hilfestellung geben, wenn die Fachliteratur, die sich unsere Sammler zugelegt haben, nichts hergibt. Der Hilfe anderer versichern sich die Böhmers auch bei der Präparation; nur einfachere Fälle nehmen sie sich selbst vor.












Der Hauptteil der Sammlung ist im Obergeschoß des Hauses untergebracht. Man erreicht es über eine Treppe, die steil in die Höhe führt und mich an einen Schiffsniedergang erinnert. Ich stelle mir vor, wie das ist, wenn ganze Schulklassen da hinauf- und hinunterpoltern. Doch passiert ist noch nie etwas, obwohl die Böhmers schon seit Jahren kostenlose Führungen durch ihre Sammlung veranstalten. Sie wollen sich sogar in allernächster Zeit ihren seit 10 Jahren gehegten Wunschtraum eines öffentlich zugänglichen Museums erfüllen. Dazu soll das Haus aus- und umgebaut werden, denn nur dann lassen sich die Fossilienschatze würdig präsentieren.
Noch aber stehen die Vitrinen dicht an dicht. Sie zeigen Fossilien auch aus einem so „exotischen" Land wie Australien. Außereuropäische Fossilien sind in erster Linie eingetauscht oder gekauft. Die Böhmers selbst sammeln nur in Europa bisher. Sie waren selbstverständlich in Frankreich und in Italien, kennen Dänemark und Südskandinavien, haben Holzmaden und Solnhofen besucht.
Doch bevorzugte Ziele waren immer die Eifel, die Maastrichter Geschiebe, das Münsterland, der Harz. Und wenn sie im Gespräch all die Fundorte, wo sie einst sammelten, Revue passieren lassen, werden die Gesichter traurig. Auch die Böhmers haben, wie alle Sammler, registrieren müssen, daß ein Großteil ihrer seinerzeitigen Fundorte entweder mit Sammelverboten belegt sind oder teilweise gar nicht mehr existieren.























Ob sie deshalb neuerdings ihre Aktivitäten auf artverwandte Gebiete ausdehnen? lm Wohnschlafzimmer des jüngeren der Brüder ist bereits eine ganze Wand in Beschlag genommen von Werkzeugen des Steinzeitmenschen: Faustkeile, Äxte, Feuersteinklingen und Schaber, Pfeilspitzen usw., ergänzt um einige Stücke aus der Römerzeit. Diese Gegenstände allerdings, denen zur Zeit die Aufmerksamkeit der Brüder gilt, haben sie nur in den seltensten Fällen selbst gefunden.
Die Fossilien sind darüber nicht vergessen. Doch auch mit Sammlern aus den anderen Gebieten würden die Böhmers gerne Kontakt aufnehmen. Sie erhoffen sich davon eine Bereicherung ihres künftigen, der Öffentlichkeit zugänglichen Museums.
Die Adresse: Gebrüder J. Böhmer, Schoolstraat 7, 7071 ZX Ulft (NL).

Fossilien Heft 2, März / April 1992